«Alle, die sich von Gottes Geist leiten lassen, sind seine Söhne und Töchter.» (Römer 8: 14)

Anfangs der 80er trällerte Mireille Mathieu « Wir sind alle Kinder Gottes, und wir werden’s immer sein». Ein schöner Wunsch, den sogar Gott teilt. Im 1. Timotheus 2:4 steht un- missverständlich, dass «Gott will, dass alle Menschen geret- tet werden». Genauso wie das biologische Leben beginnt auch das spirituelle – das ewige – Leben mit einer Geburt. Wie Je- sus dem Gelehrten Nikodemus in Johannes 3 erklärt, muss der Mensch, um ein gerettetes Kind Gottes zu werden, durch den Geist von neuem geboren werden. Im Unterschied zu unserer irdischen Geburt ist es aber unsere Entscheidung, ob wir in die geistliche Familie des Himmlischen Vaters geboren werden oder nicht. Insofern täuschte sich Mireille Mathieu, denn Gott adoptiert niemanden gegen den Willen und ohne seine ausdrückliche Genehmigung. Soweit, so gut.

Aber die Geburt ist nur der Anfang des Lebens. Als guter Vater wünscht sich Gott, seine Kinder wachsen zu sehen. Die Aufgabe der Eltern ist es, ihre Kinder auf das Leben vorzubereiten, damit sie eines Tages als reife, mündige Erwachsene dem Leben verantwortungsbewusst und fähig entgegentreten können. Im jüdisch-römischen kulturellen Kontext zur Zeit Jesu wurde dieser Schritt als Adoption bezeichnet. Das unmündige Kind wurde zum mündigen Sohn.

Im Leben Jesu kommt dies sehr schön zum Ausdruck. Mit zwölf Jahren diskutierte das Kind von Maria und Josef eifrig mit jüdischen Gelehrten im Tempel. Der Junge sagte seinen Eltern aber nicht, wohin er ging. Diese suchten ihn voller Panik drei Tage lang. Immer noch Kind, fehlte es Jesus hier offenbar noch an Verantwortungsbewusstsein. Andererseits hatte der frühreife Teenager bereits hier erkannt, dass es seine Aufgabe als Sohn Gottes sein wird, sich um die «Angelegenheiten des Vaters zu kümmern» (Lukas 2: 49). Aber er ist eben immer noch ein Kind, und er muss Mama Maria gehorchen, als sie zu ihrem Knaben sagt: Auf jetzt, es geht nach Hause! Dann hören wir während 18 Jahren nichts mehr von Jesus. Unterdessen wird er erwachsen. Mit ungefähr 30 Jahren kommt er an den Jordan und lässt sich dort von einem Wanderprediger namens Johannes taufen. Da ertönt aus dem Himmel die Stimme des göttlichen Vaters, welcher sagt: «Du bist mein geliebter Sohn; an dir habe ich Wohlgefallen!» (Lukas 3: 22). In diesem Moment trat Jesus in seinen Dienst und begann, die gute Nachricht vom Reich Gottes zu predigen, Kranke zu heilen und Menschen von dämonischen Mächten zu befreien. Ist Ihnen aufgefallen, dass Gott nicht sagte: «Seht, dies ist der Messias, der Retter der Welt! Glaubt an ihn!»? Stattdessen bestätigt er Jesus öffentlich als seinen Sohn. Er adoptiert ihn. Jetzt erst beginnt Jesus, sich um die «Angelegenheiten seines Vaters» zu kümmern, wie er es schon vor 18 Jahren seinen Eltern versucht hatte zu erklären (vergebens, übrigens. Wie Mark Twain feststellte: Während der Adoleszenz befinden sich die Eltern in einem schwierigen Alter).

Viele meinen, Jesus sei der einzige Sohn Gottes, und wir sind nur seine Kinder. Letzteres stimmt: die Bibel nennt uns Kinder Gottes (griechisch: teknon). Sowohl Jesus wie auch Paulus machen aber immer wieder deutlich, dass es unser Ziel ist, zu wachsen und Söhne (und Töchter) Gottes zu werden. Dabei wird hier das gleiche griechische Wort gebraucht, wie wenn die Bibel von Jesus als Sohn Gottes die Rede spricht (huios): der erwachsene, mündige Erbe des Vaters. Paulus verliert fast die Geduld mit den Christen von Korinth, da sie immer noch geistliche Kinder sind anstatt reife Söhne, welche bereit sind, Gottes fähige und verantwortungsvolle Mitarbeiter zu sein (1. Korintherbrief 3: 1-3).

Gott ist nicht nur der liebende Vater seiner Kinder. Er führt auch das grösste Familienunternehmen der Welt. Die Firmen- vision: die Menschen retten. Als ethischer Arbeitgeber und als strategisch denkender Chef will Gott keine Kinderarbeit. Er er- wartet von uns, dass wir in diesem Unternehmen als Erben Verantwortung übernehmen und uns um die «Angelegenheiten des Vaters» kümmern.

Gott wünscht sich Kinder! Aber er sucht Söhne und Töchter, welche sich mit Leidenschaft und Reife
dafür einsetzen, dass noch viele in diese
Familie adoptiert werden können.

Mit freundlichen Grüssen

Andi Fuhrer