Der unnütze Jesus in der Ecke 2023-07/08

Deutsch

Anfangs Juni nahmen wir mit der Factory an der Langen Nacht der Kirchen teil. Im Rahmen unserer Ecce-Homo-Ausstellung platzierten wir mitten im Raum einen riesigen auferstehenden Jesus. Wie im Jesaja-Buch beschrieben, hatte er «weder Gestalt noch Schönheit», war aber sehr grün und sehr nackt. Für viele etwas herausfordernd und vielleicht sogar störend: so, wie Jesus und die Auferstehung es sind. Nach der Ausstellung hatte diese Skulptur ihren Zweck erfüllt und wir stellten sie in eine Ecke der Factory. So wie wir das mit Jesus tun: Wird er nicht mehr gebraucht, stellen wir ihn zur Seite, wo er nicht mehr stört. Das ist er sich ja gewohnt. 

Passend dazu hatte ich letzthin eine spannende Diskussion über die Nützlichkeit Gottes. Meine Gesprächspartnerin meinte: «Mag gut sein, dass es Gott gibt. Aber ich sehe nicht ein, warum ich ihn in meinem Leben bräuchte …» 

Ich persönlich finde Gott eigentlich schon ziemlich nützlich und möchte nicht auf ihn verzichten. Andererseits kenne ich auch Menschen, die ein ganz schönes Leben ohne Gott führen. 

Wenn ich mir das so überlege: Falls es Gott wirklich geben sollte, müsste er dann nicht per Definition grösser und mächtiger (und wohl auch intelligenter) sein als ich Mensch?  Wäre es dann nicht ziemlich arrogant, die Gottes-Frage nur nach dem Kriterium der Nützlichkeit zu beurteilen und ihn als nette Option abzulegen? 

In einer Beziehung gibt es bekanntlich immer zwei Seiten. Die Frage ist also gerechtfertigt, warum denn Gott an unserer Aufmerksamkeit interessiert sein könnte. Viele denken, bei der Religion gehe es darum, irgendeinen fernen Gott damit zufriedenzustellen, indem man seinen bevormundenden und einschränkenden Regeln gehorcht. Dann wäre das aber schon ein eigenartiger Gott mit einem seltsamen Bedürfnis, sich und uns seine eigene Überlegenheit zu beweisen. Das müsste ein «höheres Wesen» eigentlich wirklich nicht nötig haben. 

Als Kind habe ich mich manchmal auch gefragt, inwiefern mir meine Eltern nützlich sind. Manchmal war die Antwort klar positiv. Oft waren sie auch einfach «nice-to-have», und mit zunehmendem Erwachsenwerden konnte ich auch ganz gut ohne sie leben. Aber die Eltern stellen wir nicht einfach in die Ecke, wenn wir sie nicht mehr gebrauchen. Es geht um eine Beziehung, die über die Frage der Nützlichkeit oder des Gehorsams hinaus geht. Spätestens seit ich selber Vater bin, verstehe ich das. Mein Kind ist nun ein Teenager geworden. Oft bin ich ihm noch nützlich, und manchmal fühle ich mich wie ein ausgedienter Besen in die Ecke gestellt. Und irgendwann braucht er mich vielleicht nicht mehr, um einigermassen erfolgreich sein Leben zu gestalten. Ich wünsche mir aber sehr, dass unsere Beziehung dann weiter geht und er mich nicht nur als Option für schwierige Zeiten betrachtet. 

Gott möchte nicht einfach nur nützlich sein. Er will schon gar nicht unser Marionettenspieler-Gott sein, der von seinen Puppen gehorsam angebetet werden muss, damit er sich gut fühlt. Er will als Vater mit seinen geliebten Kindern das Leben teilen, auch wenn sie ihn gerade mal nicht brauchen. 

Mit lieben Grüssen

Andi Fuhrer