Prüft alles und behaltet das Gute! (2025-01)
Für viele der Zeitpunkt der guten Vorsätze. Für andere aus Prinzip NICHT.
Zugegeben, der Zeitpunkt ist willkürlich. Und trotzdem ist der Jahreswechsel eine gute Gelegenheit, um innezuhalten und sich etwas Gedanken zu machen. So eine Art persönliche Standortanalyse.
Zwischen Weihnachten und Neujahr kommt die Welt für mich jeweils für einen kurzen Moment zum Stillstand. Vermutlich bilde ich mir das zwar nur ein. Denn während ich die letzten paar Dinge erledige, die noch vor Ende des Kalenderjahres abgeschlossen werden müssen, bin ich bereits daran, mir Gedanken zu machen, was ich jetzt schon alles in die Wege leiten muss, um nicht gleich am Berchtoldstag von meiner Agenda überrollt zu werden.
Letzte Woche, an einem dieser Tage dieser gewünschten Stillstandsphase zwischen Weihnachten und Neujahr, versuchte ich, nichts zu tun. Doch dann klingelte das Telefon. Im Verlauf des Gespräches begann ich, das ich das vergangene Jahr auszuwerten, um nahtlos die Frage anzugehen, welche Konsequenzen wir nun daraus zu ziehen hätten für die Zukunft. Ich kam zum Schluss, die Bilanz der letzten Zeit sei eine Art Nullsummenspiel, was es schwierig mache, die richtigen Schlussfolgerungen für das neue Jahr zu ziehen.
Wie ziehen wir Bilanz? Im Prinzip ist es ganz einfach: Man zählt alles zusammen und schaut, ob am Ende eine positive oder eine negative Zahl übrigbleibt. Ich ziehe alle meine unbezahlten Rechnungen von meinem Kontostand ab, dann weiss ich, wo ich stehe.
Aber ist das immer die richtige Art, auszuwerten?
Wie jedes Jahr wurde auch für das Jahr 2025 durch die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen ein Bibelvers als sogenannte Jahreslosung ausgewählt. Dieses Jahr lautet der Vers:
«Prüfet alles, das Gute behaltet» (1. Thessalonicherbrief 5,21).
Wäre das nicht auch ein gutes Auswertungskritierium?
Vielleicht muss ich ja gar nicht alles mitnehmen? Vielleicht gibt es Ballast, den darf ich getrost abwerfen und in der Vergangenheit belassen. Wäre das nicht toll, einfach die unbezahlten Rechnungen und Schulden im alten Jahr zu lassen?
Das „Gute“ behaltet…
«Gut» ist kein Synonym für «Angenehm» oder «Einfach». Ich kann nicht nur die Augen schliessen vor dem, was mir nicht gefällt.
Umgekehrt ist auch „schlecht“ nicht gleichzusetzen mit „schwierig“. Manch schmerzvolle Erfahrung wertvoll und bringt mich im Leben weiter – und hat damit ihr Gutes.
Dann gibt es auch angenehme Dinge, die mir im Grunde gar nicht so guttun, ja sogar schaden. Miestens kommt es dabei auch auf das Mass an….
Es lohnt sich, von Zeit zu Zeit zu prüfen, was es wert ist, zu behalten, und was wir getrost wegwerfen dürfen. Manches kann vielleicht recycelt werden, aber so einiges gehört auch in den toxischen Sondermüll des Lebens und sollte nicht mehr hervorgeholt werden. Was stinkt, gehört meistens auch in den Abfall. Ausser gutem Käse. „E chli stinke mueses“ ja bekanntlich.
Vielleicht gibt es Beziehungen, die uns nur kosten, und in andere können wir mit gegenseitigem Gewinn investieren.
Alte Schulden können gestrichen werden, und gute Erfahrungen zu profitabler Wertvermehrung führen. Der radikalste Schuldenerlass überhaupt bildet ja letztendlich die Grundlage des Evangeliums.
„Prüfet alles, das Gute behaltet“.
Möglicherweise lässt sich diese Jahreslosung nur mit Vorbehalt auf die Finanzbuchhaltung anwenden. Aber im «echten» Leben könnte dieses Auswertungsprinzip unsere Bilanz nachhaltig und ganz legal positiv beeinflussen.
Vielleicht haben Sie, wie ich auch, aufgehört, am Neujahr gute Vorsätze zu fassen.
Aber vielleicht können sie eine Bilanz ziehen darüber, welche guten Sachen sie mitnehmen, und welchen schlechten Ballast sie hinter sich lassen möchten.
Das Jahr 2025 ist übrigens dafür eine ganz besonders gute Gelegenheit: Die Katholiken feiern dieses Jahr das Jubeljahr. Diese Tradition geht auf das alttestamentliche Erlass-Jahr zurück, wo alle 50 Jahren ein genereller Schuldenerlass erfolgte.
Damit wünsche ich ihnen ein ausdrücklich GUTES und GESEGNETES Neues Jahr
Andi Fuhrer